In der Sagenwelt der Bergbevölkerung haben die Gletscher ihren festen Platz. Viele Geschichten ranken sich um die Gletscher mit ihren beeindruckenden Eismassen, die für die ansässige Bevölkerung auch eine Bedrohung darstellen können. Landverlust durch Gletschervorstösse, Ausbruch von Gletscherrandseen, Eisabbruch bei Hängegletschern – zahlreiche Sagen dokumentieren solche Ereignisse in der Vergangenheit.
Nach altem Glauben waren die höchsten Alpen von Dämonen, Kobolden, Drachen und Riesen bevölkert. So soll der Schreckhorn-Drache in Grindelwald gewütet haben. Er verschlang Herden und Hirten, bis er von einem starken und klugen Manne endlich gebannt werden konnte. In einigen Schweizer Sagen wird das Fegfeuer in die Gletscherwelt verlegt. Da ist von Gletschern die Rede, die fruchtbare Alpweiden überdeckt haben. Früher soll etwa die Hochebene des Petersgrates im Lötschental ein schönes Alpenfeld gewesen sein. Den Älplern ging es sehr gut und sie wurden vor lauter Überfluss hochmütig und unanständig. Ein furchtbares Gewitter mit Hagel und Schnee erhob sich und nach kurzer Zeit war die prächtige Alp in einen Gletscher verwandelt. Als Sinnbild der Reinigung sind Gletscher auch der Ort der armen, sündigen Seelen, wie die armen Seelen im Grossen Aletschgletscher. Einer alten Walliser Sage nach müssen diese im Eis leidend für ihre Fehler büssen, Kopf an Kopf gedrängt und bis zum Hals eingefroren. Eine andere Sage berichtet, dass «d'alt Schmidja», eine alte Frau, die in einer Hütte am Rand des Grossen Aletschgletschers hauste, für die armen Seelen gebetet und ihnen in kalten Winternächten Obdach gewährt hat, damit sie sich wieder etwas aufwärmen konnten.